Eine von WestLotto organisierte Veranstaltung am letzten Donnerstag führte zu weiteren Diskussionen über das Thema Lootboxen in Deutschland. Seit geraumer Zeit wird über ein Verbot oder eine bessere Regulierung von Lootboxen in Deutschland diskutiert, während sie in Nachbarländern entweder bereits verboten sind oder mehrere Gerichtsurteile Lootboxen für illegal erklärt haben.
Was sind Lootboxen?
Lootboxen sind Gegenstände in Videospielen, die durch Echtgeld erworben werden. Oft weiß der Käufer jedoch nicht genau, was er erhalten wird, da es nur eine prozentuale Wahrscheinlichkeit gibt, den gewünschten Gegenstand zu erhalten. Häufig handelt es sich um virtuelle kosmetische Gegenstände, wie etwa Veränderungen am Aussehen einer Waffe, die jedoch keinen spielerischen Vorteil bringen.
Es gibt jedoch auch Spiele, in denen man durch diese Gegenstände Vorteile im Spiel gegenüber anderen erhalten kann. Viele dieser Gegenstände aus Lootboxen haben mittlerweile einen echten Geldwert durch Schwarzmärkte im Internet, weshalb das Lootbox-System als simuliertes Glücksspiel betrachtet wird.
Positionen auf der Veranstaltung
An der Veranstaltung von WestLotto war unter anderem der Sucht- und Drogenbeauftragte des Bundes, Burkhard Blienert, teil. Er sprach sich dafür aus, vorerst keine neuen Regeln in Bezug auf Lootboxen zu erlassen, sondern bestehende Regelungen konsequenter umzusetzen:
„Wir müssen endlich beginnen, geltendes Recht für Spielende konsequent anzuwenden.“
Ein Vertreter der CDU/CSU, Fabian Gramling, setzte sich dafür ein, das Problem der Lootboxen mithilfe der Politik lösen zu wollen. Er betonte, dass es Aufgabe der Politik sei, dieses Problem anzugehen. Anna Kassautzki, Vertreterin der SPD, sprach sich dafür aus, mehr mit Gamer*innen zu sprechen, da diese auch nicht die größten Fans dieses Systems seien. Sie betonte, dass das Problem am besten gemeinsam angegangen werden sollte:
„Wir dürfen nicht alles verteufeln, aber wir müssen die Gefahren erkennen.“
Expert:innen auf der Veranstaltung forderten mehr Forschung in diesem Bereich und wiesen auf die bekannten Gefahren hin. Zudem wurde eine bessere Aufklärung für Eltern gefordert, da diese oft nicht wissen, mit welchen Systemen zur Geldgewinnung ihre Kinder und Jugendlichen in Videospielen konfrontiert sind. Linder Scholz von der Fachstelle Jugendmedienkultur NRW machte auf der Veranstaltung deutlich, dass selbst Eltern oft nicht genügend Überblick hätten, um richtig eingreifen zu können.
Aus Sicht der Wissenschaft besteht in Deutschland dringender Handlungsbedarf in Bezug auf Lootboxen, um Jugendliche zu schützen. Monetarisierung als Ganzes zu betrachten und nicht nur als Einzelfall zu sehen, forderte Thomas Salzmann, stellvertretender Direktor der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz. Der Theologe Max Tretter wies auf der Veranstaltung auf die unübersichtliche Vermischung von Gaming und Glücksspiel hin.
Position der Spieleindustrie
Die Spieleindustrie galt zwar immer als gesprächsbereit gegenüber der Politik, war jedoch auf der Veranstaltung von WestLotto nicht vertreten. Westlotto wird seitens der Spieleindustrie beschuldigt, lediglich ihre eigenen Ideen in Bezug auf Lootboxen durchsetzen zu wollen, um möglicherweise die Spielekonsumenten an ihre eigenen Systeme und Bedingungen zu binden.
Bei diesen Anschuldigungen bezieht sich die Spieleindustrie auf den von Westlotto verfassten Regulierungsvorschlag. Hierbei wurde ein neues Jugendschutzgesetz ausgearbeitet. Laut der Industrie überschritten sie mit dem konkreten Entwurf eines Gesetzes zu ihren Bedingungen eine Grenze und es läge nicht in ihrer Verantwortung, sich hier um eine Gesetzgebung zu bemühen.
Obwohl die Niederlande und Belgien Lootboxen in der Form, wie sie bei uns noch existieren, längst verboten haben und in Österreich immer wieder Urteile gefällt werden, die Lootboxen eindeutig als Glücksspiel bezeichnen, wird in Deutschland immer nur darüber geredet, dass etwas getan werden muss. Bislang gibt es dafür jedoch keine konkrete Gesetzesentwürfe seitens der Regierung.
Es gibt bereits Spiele, in denen Lootboxen verbannt oder so abgewandelt wurden, dass die Glückspiel-Elemente verloren gehen. Die Anbieter müssen dann nicht verschiedene Systeme für verschiedene Länder nutzen. Also sollte es der Spieleindustrie keine Probleme bereiten, das im gesetzlichen Rahmen umzusetzen, da es dafür schon Vorlagen gibt. Man müsste also nur aufhören, immer nur zu reden und die Verantwortung den Eltern zuzuschieben – und endlich einen gesetzlichen Rahmen schaffen.
Es gab gerade erst eine sehr hörenswerte Podcastfolge zum Thema Lootboxen (leider ein Premium-Inhalt) von „The Pod“.
Nachgeforscht: Ein Gespräch mit der USK über Lootboxen
https://www.gamespodcast.de/2024/02/15/nachgeforscht-ein-gespraech-mit-der-usk-ueber-lootboxen/
„Interview mit Lorenzo von Petersdorff, dem stellvertretenden Geschäftsführer der USK. Im Gespräch mit ihm gehen wir der Frage nach: Warum hat ein EA Sports FC trotz Lootboxen „nur“ eine Freigabe ab 12? Auf der Suche nach der Antwort diskutieren wir über viele Facetten der Alterseinstufungen: Wieso finden sich in den Leitkriterien der USK keine erkennbaren Einflüsse aus der Suchtforschung? Warum sind die neuen Deskriptoren beim Thema Lootboxen aus unserer Sicht so uneindeutig? Welche Rolle spielen die so genannten Vorsorgemaßnahmen?“
Erwartungsgemäß wurde es phasenweise schwer erträglich, die Position der USK zu hören. The Pod hat auch noch eine zweite Folge dazu gemacht, eine Nachlese sozusagen:
https://www.gamespodcast.de/2024/02/20/unser-usk-interview-zu-lootboxen-in-der-nachbetrachtung/
„Lootboxen sind Gegenstände in Videospielen, die durch Echtgeld erworben werden. Oft weiß der Käufer jedoch nicht genau, was er erhalten wird, da es nur eine prozentuale Wahrscheinlichkeit gibt, den gewünschten Gegenstand zu erhalten.“
Danke, dass ihr hier klar benennt, worüber ihr schreibt, denn Looting ist auch durchaus auch ein Spassfaktor. Den Unterschied machen Bezahlen (und pay2win).
Bemerkenswert, wie die selbsternannten „Jugendschützer“, denen keine Ausrede zu kleinlich ist, um das Internet „wegen der Kinder“ zu zensieren, keinen Bedarf für Kinderschutz sehen, wenn es nichts zu zensieren oder zu überwachen gibt.
Völlig richtig. Was fehlt ist jedoch darauf hinzuweisen, welcher Bedarf an Kinder- und Jugendschutz besteht, was es braucht einen angemessenen, kindgerechten Kinderschutz auf operationaler Ebene zu verwirklichen, um das Wohl aller Kinder und Jugendlichen unabhängig ihres sozialen Milieus zu gewährleisten.
Wenn es darüber Einigung gäbe, müsste dies entlang der Haushalte von Bund, Länder und Gemeinden allerorts finanziert sein. Hinreichend ausgebildetes Personal müsste vorhanden und Willens sein, den Kinder- und Jugendschutz nicht nur zu verwalten sondern zu gewährleisten.
An dieser Stelle stellt sich die Frage, wer ist dagegen und warum? Welche Ideologien und Parteiprogramme wollen keinen oder lediglich minimalistische Regulierungen im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes? Wer sind die politischen Akteure, die dafür kein Geld übrig haben wollen, und warum? Und dies betrifft nicht nur Kinder- und Jugendschutz, sondern auch deren Bildung und Ausbildung.
Wie kann es sein, dass „selbsternannte Jugendschützer“ mit ihren vordergründigen Zielen bezügl. Kinder- und Jugendschutz politisch Punkten können, um hintergründig völlig andere Ziele zu verfolgen, während der Kinder- und Jugendschutz sonst kaum politische Beachtung und reale Verbesserung erfährt?
Braucht es gar einen minimalistischen, kümmerlichen Kinder- und Jugendschutz, damit sich Politiker mit populistischen Verbesserungsforderungen profilieren können?